Mainzelmännchen-Manie (MMM)


Diese Kurzgeschichte beruht auf einer wahren Begebenheit.

Für alle Mainzelmännchen-Liebhaber, Fans, Freaks und für solche, die es noch werden möchten.

Hauptpersonen: Anton, Berti, Conni, Det, Edi und Fritzchen (ABCDEF)
In den Nebenrollen: Michael und Falko

"Guuudn Abend" Ich traute meinen Augen kaum. Nach vielen Jahren waren sie wieder aufgetaucht. Zusammengewürfelt lagen sie in einem Papierkorb im Keller. Alle sechs. Die Farbe zwar schon etwas abgeblättert, mit einem leichten muffigen Geruch, aber immer noch das unverkennbare Breitwandgrinsen auf dem Gummigesicht. In den 60er Jahren wurden sie geschaffen. Genauer gesagt hatten sie 1963 ihren ersten Auftritt, im ZDF, und selbstverständlich noch in schwarz/weiss. Michael und ich waren gerade erstmal sechs und fünf Jahre alt. Aber sofort verliebten wir uns unsterblich in die sechs Wichtels. Und so gab es jedes Jahr zu Weihnachten ein Männchen für Michael und ein Männchen für mich. Nach drei Jahren hatten wir sie zusammen. Von da an gehörten Det, Conni und Edi zu Michael und Anton, Berti und Fritzchen gehörten zu mir.
"Die nehme ich mit", sagte ich zu meinem Vater. "Schließlich haben wir sie geschenkt bekommen". Also nahm ich meine drei mit. Aber irgendwie merkte ich, dass sie sich einsam fühlten ohne ihre anderen drei Kumpels. So ungefähr nach dem alten Schlager "Wir wollen niemals auseinandergeh'n". Demzufolge nahm ich bei meinem nächsten Besuch die anderen drei auch noch mit. Dann wurden sie von mir in eine Plastiktüte gesteckt und in den Schrank gelegt. Da konnten sie dann weiter lustig vor sich hinmuffen. Immerhin waren sie ja wieder zusammen. Aber irgendwie plagte mich in der darauffolgenden Zeit das schlechte Gewissen. Letztendlich gehörten ABCDE und F nicht mir allein, sondern sie gehörten mir und meinem Bruder. Was also war zu tun? Ich hatte die Idee! Ein Besuch meiner Person in Neubrandenburg stand bevor - bei Michael. Ungefähr 40 Jahre nach dem Auftritt der sechs Wichtels im ZDF (wie oben schon mal erwähnt). Mein Bruder wohnt ungefähr 650 Kilometer von mir entfernt. Ich wohne ja in Hagen. Wir waren inzwischen auch schon in die Jahre gekommen. Jedenfalls sind wir älter als die Mainzelmännchen. Die sechs Gummimännchen wanderten also in meine Reisetasche.
Die Woche bei meinem Bruder verging rasend schnell und vor meinem Abschied versteckte ich ABCDE und F einzeln in seinem Schlafzimmer - jeden an einen anderen Ort. Michael war wirklich sehr gerührt und berührt. Ich war natürlich schon traurig, als sich die sechs von mir verabschiedet hatten. Aber es gab ja schließlich noch Fotos.
Einige Wochen später stand der Besuch meines Bruders bei mir in Hagen an. Vorher hatte er mir jedoch ein Päckchen von Eilpostix zukommen lassen, welches jedoch erst während seiner Anwesenheit geöffnet werden durfte. Dann kam Michael, und dann wurde das Päckchen geöffnet und es purzelten die Highlights nur so heraus: Ein Frühstücksteller mit den Motiven der modernen sechs Mainzelmännchen darauf (echte MMKenner wissen, dass die alten Wichtelmännchen modern aufgemotzt wurden; auf gut Deutsch: Ihr Outfit wurde der modernen Zeit angepasst. Ihnen wurden sogar zwei Mainzelmädchen zugesellt, Zara und Lea sowie einen zotteligen Hund, der auf den Namen "Guuudnberg" hört. Hoffentlich gibt das nicht mal Krieg, zwei Mädchen für sechs erfahrene gestandene Gummimänner). Ja, und dann gab es noch eine Trinktasse, ebenfalls mit den Motiven der sechs. Ich war restlos berührt, gerührt und begeistert. Und als ich einige Wochen später von einer sehr lieber Bekannten eine weitere MMTrinktasse geschenkt bekam (das war reiner Zufall und es gab auch keine Absprache), wusste ich nicht, ob ich weinen oder lachen sollte. Jedenfalls war ich sprachlos. Der Leser wird jetzt denken: Eigentlich müsste die Geschichte ja bald zu Ende sein. Ist sie aber noch nicht. Warte mal ab, was da noch kommt. Du wirst ganz überrascht sein, vielleicht auch gerührt oder sprachlos.
Im Dezember des Jahres 2004 trafen mein Bruder und ich uns wieder, bei meinem Vater. Hier hatte ja die ganze Geschichte vor ungefähr 40 Jahren begonnen. Michael hatte vor unserem Treffen in seiner Heimatstadt Neubrandenburg Besuch bekommen und dieser Besuch brachte etwas mit. Und Michael wollte das Mitbringsel des Besuches mit zu Papa bringen. Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, dass meine gesamten Überredungskünste, nämlich um herauszufinden, wer oder was das denn wohl wäre, bei meinem Bruder locker abprallten. Tagelang hatte er mich auf die Folter gespannt (das fand ich ziemlich grausam). Aber nun, bei unserem gemeinsamen Treffen wurde das Rätsel gelöst. Und ich glaube, lieber MMbegeisterter Leser, Du wirst gerührt oder geschüttelt, berührt oder sprachlos sein.
Mitternacht war immerhin schon vorbei. Papa war schon zu Bett gegangen. Es muss gegen 2 Uhr morgens gewesen sein. Michael ging in das angrenzende Esszimmer, weil er dort etwas herrichten wollten. Ich hatte überhaupt keine Ahnung, was er da wohl machte. Dann war es soweit, fast wie vor ungefähr 40 Jahren, als die sechs fröhlichen Wichtels mit ihren lustigen Mützchen auf dem Gabentisch standen: der schlaue Brillenträger Det, das sportliche Kerlchen Fritzchen, der verfressene stämmige Anton und die anderen drei. Und... Vorhang auf.
Da standen sie wieder, alle sechs, vor zwei weissen DIN-A4-Blättern, wie auf einer Bühne mit ihrem unnachahmlichen Breitwandgrinsen. Ja, ich hatte das Gefühl, sie grinsten mich an, als wollten sie sagen: "Guuudn Morgen, da sind wir wieder!" Ich weiß nicht, was ich war. War ich gerührt oder geschüttelt, berührt oder sprachlos, erstaunt oder freudig erregt? Ich glaube, ich war alles.
Und plötzlich hob mein Bruder die beiden DIN-A4-Blätter hoch, die hinter den sechs Mainzels standen. Ich traute meinen Augen nicht und wäre fast vom Stuhl gefallen (der stand sowieso schon auf wackeligen Beinen). Hinter unseren sechs Mainzelmännchen standen sechs weitere. Das gleiche Alter, das gleiche Outfit, das gleiche unverschämte Breitwandgrinsen, zweimal sechs, hintereinander... Ich war erledigt. Hatte ich mittlerweile eine Manie bekommen? Eine sogenannte Mainzelmännchen-Manie (MMM)? Hatte mir der aromatasierte Früchtetee zu sehr zugesetzt? Sah ich tatsächlich alles doppelt? Ich hätte am liebsten gefragt: "Ey, was geht'n hier ab, ey, voll krass!"
Des Rätsels Lösung: Ersteigerung bei "ebay". Dank moderner Technik, Internet, den Bemühungen meines Bruders usw, usw. Dank aber auch der netten Dame, welche sich so bereitwillig von ihrem Satz der kleinen, lustigen Kerlchen getrennt hat (ich hoffe nicht, dass es ein so schmerzhafter Abschied war wie in meinem Fall). übrigens mufften die noch mehr als unsere sechs. Aber das ist überhaupt nicht wichtig. Nein, es gehört sogar dazu. Jetzt hat Michael sechs MM, die von der netten Dame, und ich habe sechs MM, welche ja schon immer u n s e r e waren. Das ist fast wie Weihnachten.
Eventuell sollte ich noch erwähnen, dass es von ABCDE und F auch schon ein Superposter gibt. Und ausserdem haben wir festgestellt, dass man mit Anton, Berti, Conni, Det, Edi und Fritzchen sogar kegeln kann, der sogenannte Dominoeffekt. Alle Neune, obwohl es ja jetzt zwölf sind. Aber das sei nur mal so am Rande festgestellt.

Und was ich noch fast vergessen hätte: Guuudn Nacht!