Die Bahn 1

Ein Brief an Bahnchef Mehldorn


Betreff: Mein Beschwerdebrief vom Juni 2004

Ihr Zeichen:    Bahnhofsmanager
Mein Zeichen:  WC-Herren


Sehr geehrter Herr Mehldorn!

Leider habe ich auf meinen Beschwerdebrief vom Juni letzten Jahres keine Antwort von Ihnen erhalten. Habe ich auch nicht erwartet. Deshalb nochmals nachfolgend einige wie mir scheint sehr wichtige Auszüge aus meinem ersten Brief zuzüglich weiterer Beschwerden, welche ich Ihnen unbedingt mitteilen muß, weil ich nach zwei katastrophalen Zugreisen im letzten Monat (im Wonnemonat Mai) völlig traumatisiert bin. Ich brauche nur etwas über Züge zu lesen, und schon kräuseln sich mir die Nackenhaare. Es war wirklich eine Überlegung wert, ob ich im nächsten Jahr nicht wieder auf das Auto umsteige. Ein beliebtes Reiseziel soll ja der Stau zwischen München und Salzburg sein. Leider fehlt mir auch für diese Urlaubsfahrt bisher noch der Sponsor.
Also wie war das nochmal im letzten Jahr? Das Chaos fing damit an, dass es am Hbf in Dortmund gebrannt hatte. Merkwürdigerweise gerade während der Einfahrt meines Zuges. Und die Feuerwehr stand völlig auf dem Schlauch. Dann die Toiletten defekt bzw. abgeschlossen. Haben Sie schon mal etwas von einem Harnablassdrang gehört? Wahrscheinlich nicht. Sie fahren ja nur mit dem Auto und können sich zwecks eines Bedürfnisses schnell in die Büsche schlagen. Wissen Sie übrigens, warum Bahnchefs so ungern mit dem Zug fahren? Weil der Stationsvorsteher immer ruft: "Bitte zurücktreten!" Das würde Ihnen auch mal ganz gut tun.
Und zu guter Letzt wurde auf einem Bahnsteig noch mein ganzes Gepäck gestohlen. Raten Sie mal, von wem? Genau, von der Bahnhofspolizei. Und nur, weil es einige Minuten mal alleine so rumstand. Was sollte es auch sonst tun?
Aber die Fahrt von Hagen nach Neubrandenburg im Mai dieses Jahres schlug dem Fass wirklich den Boden aus. Mal ganz zu schweigen vom Ärger über das verteuerte sogenannte Schönes-Wochenend-Ticket. Dass es preisgünstigere Bahnfahrkarten bei Lidl zu kaufen gab, erfuhr man erst einige Tage später durch die Presse, als das Angebot schon nicht mehr gültig war. Und dann immer diese ständigen Verspätungen. Das einzige, was bei Ihnen pünktlich kommt, sind eh nur die Fahrpreiserhöhungen. Was ich Sie ebenfalls noch fragen wollte: Haben Sie schon mal Bundesligafans live und in Action erlebt? Da können Sie wirklich etwas erleben. Das ist wie mit der Fahrt in einer Geisterbahn auf der Cranger Kirmes in Wanne-Eickel. Der reinste Horror. Und was da alles in einem Zug auf dem Boden liegt - leere Bierflaschen, volle Bundesligafans. Steh' auf, wenn du am Boden liegst... Wissen Sie, Herr Mehldorn, wem wir das alles zu verdanken haben? Ihnen Herr Mehldorn, Ihnen und Ihren preiswerten Bahnkarten. Damit wir anständigen Fahrgäste das Leben in vollen Zügen genießen können.
Aber ich will ja nicht meckern. Auf der Rückreise nach Hagen saß in meinem Zug ein Reisender völlig eingeklemmt in einem Gepäcknetz. Nachdem wir ihn mit Hilfe des Schaffners befreit haben, stöhnte der Mann: "Das war das erste und das letzte Mal, dass ich mir eine Netzkarte gekauft habe". Meine letzte Verbindung verließ ich als gealteter Mann. Ich sah aus wie Johannes Heesters oder wie Daniel Küblböck mit 90 Jahren. Keine zehn Lokomotiven bringen mich mehr in einen Ihrer Züge. Es sei denn, Sie finden einen Sponsor für meine Schweizreise im August.

Hochachtungsvoll - ein Geschädigter